Schlafmittel und Sedativa: harmlos wirkend im Alltag, hochbrisant in der Klinik. Die neue AMSP-Arbeit von Pauwels et al. (2025) wirft ein erhellendes Licht auf die Psychopharmakotherapie von stationär behandelten Patienten mit F13-Diagnosen – also psychischen und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika. Als Datenbasis dienen 1.293 ausgewerteten Behandlungsfälle, die in den AMSP teilnehmenden Kliniken zwischen 2001 und 2017 behandelt wurden.
Die Resultate sind eindeutig: Über 90 % der Patienten erhielten im Verlauf der stationären Behandlung Antidepressiva, häufig SSRI wie Sertralin oder Escitalopram – primär zur Behandlung komorbider affektiver Störungen. Überraschend: Auch Antipsychotika wurden in fast einem Drittel der Fälle eingesetzt, was auf komplexe psychopathologische Symptomkonstellationen hinweist.
Und was ist mit Benzodiazepinen selbst? Fast jeder zweite F13-Patient bekam auch während der Entwöhnung noch kurzfristig Benzodiazepine – allerdings gezielt, oft zur kontrollierten Reduktion.
Die Studie zeigt eindrücklich, wie herausfordernd die Pharmakotherapie in dieser hochvulnerablen Patientengruppe ist. Gleichzeitig liefert sie wertvolle Hinweise für die Praxis: Ein strukturierter, leitlinienorientierter Umgang mit Sedativaabhängigkeit erfordert psychopharmakologisches Fingerspitzengefühl – und oft einen Spagat zwischen Entzug, Symptomkontrolle und Rückfallprävention.
Fazit: Wer F13 sagt, muss auch Pharmakovigilanz sagen. Die Behandlung dieser Patientengruppe ist eine klinische Navigation zwischen Sedierung und Stabilisierung.
Der Volltext der Publikation steht Open Access und kostenfrei unter folgendem Link zur Verfügung: Pharmacotherapy of psychiatric inpatients with mental and behavioral disorders caused by sedatives or hypnotics (F13): Results from an observational pharmacovigilance program between 2000 and 2017 | Addiction Science & Clinical Practice | Full Text